Wohnungsmangel reicht weit über die Ballungszentren hinaus

Wohnungsmangel durchdringt Deutschland: Die neue Wohnungsknappheit ist mittlerweile in 138 Städten und Kreisen angekommen. Damit steht in rund einem Drittel aller Kommunen die „Wohnungs-Ampel“ auf Hell- oder sogar schon auf Dunkelrot. Der Wohnungsmangel reicht damit weit über die Ballungszentren hinaus und hat auch ländliche Regionen längst erreicht. Für Haushalte mit mittleren Einkommen werde es demnach immer schwieriger, bezahlbaren Wohnraum zu finden, wie eine aktuelle Studie des Prognos-Instituts zeigt – eine große sozialpolitische Herausforderung, der sich die kommende Bundesregierung stellen muss.

Studie des Prognos-Instituts identifiziert sozialpolitisches Konfliktpotenzial

Die Wohnungsmärkte in Deutschland befinden sich seit einigen Jahren in einem zunehmenden Ungleichgewicht von Angebots- und Nachfrageentwicklung. Einer hohen und sehr dynamischen Wohnraumnachfrage steht eine vergleichsweise hohe Trägheit des Wohnungsangebots gegenüber. Der Wohnungsneubau ist in Deutschland seit dem Tiefpunkt im Jahr 2009 zwar wieder angestiegen, bewegt sich im Vergleich zur Wohnungsnachfrage aber weiterhin auf zu geringem Niveau, sodass sich der Mangel an Wohnraum in Deutschland insgesamt weiter verschärft. Deutschland verfügt nicht über einen einheitlichen und homogenen Wohnungsmarkt, sondern ist von einer Vielzahl von regionalen Wohnungsmärkten mit sehr heterogenen Marktentwicklungen und differenzierten Ausgangs- und Problemlagen gekennzeichnet.

Die Folge der Wohnungsknappheit: Miete und Einkommen haben sich entkoppelt. Selbst für Haushalte mit mittleren Einkommen wird es immer schwieriger, bezahlbaren Wohnraum zu finden, so das Prognos-Institut. Viele könnten sich einen Umzug nicht mehr erlauben: Die Bezahlbarkeit von Wohnraum ist für mehr als die Hälfte der Bevölkerung eine finanzielle Herausforderung.

Für die Top-7-Städte der äußerst angespannten Wohnungsmärkte (Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, München und Stuttgart) weisen die Wissenschaftler auf der Grundlage der Mietpreise konkret nach, dass sich selbst Haushalte mit mittleren Einkommen nur noch eine Wohnung deutlich unter 70 Quadratmetern Wohnfläche leisten können. In München, Berlin und Hamburg sind demnach nicht einmal 60 Quadratmeter möglich – und das bei einem Einkommensanteil von 35 Prozent für die Warmmiete.

Der Studien-Blick auf das gesamte Bundesgebiet macht allerdings deutlich, dass das bezahlbare Wohnen kein Problem ist, das sich auf die Metropolen beschränkt, sondern längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Die Wissenschaftler errechneten, dass bundesweit das mittlere Haushaltsnettoeinkommen von 2.168 Euro pro Monat mittlerweile nur noch ausreicht, um eine durchschnittliche Wohnung von 77 Quadratmetern zu mieten. Grundlage ist hierbei eine Miet-Obergrenze von 759 Euro pro Monat.

Die Studie macht deutlich: Die Menschen in Deutschland können sich mit dem Geld, das sie monatlich zur Verfügung haben, immer weniger Wohnfläche leisten. Dies berge auch sozialpolitisch Konfliktpotenzial, so das Prognos-Institut. Der entscheidende Grund für den Wohnungsmangel sei, dass seit Jahren zu wenig und meist auch zu teuer gebaut werde. Allein in den vergangenen acht Jahren sei eine „Wohnungsbaulücke“ von einer Million Wohneinheiten entstanden.

Die Prognos-Studie wurde vom Verbändebündnis Wohnungsbau beauftragt. In dem Bündnis haben sich sieben Organisationen und Verbände der Bau- und Immobilienbranche zusammengeschlossen – darunter der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW), der Deutsche Mieterbund (DMB), die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB), der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW), der Bundesverband Deutscher Baustoff- Fachhandel (BDB) und die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau (DGfM). Ihr gemeinsames Ziel: das gute und bezahlbare Wohnen in Deutschland.

Um das zu erreichen, fordert das Bündnis den Neubau von 80.000 zusätzlichen Sozialmietwohnungen pro Jahr. Hier müsse der Bund seine Zahlungen für die Wohnraumförderung – auch nach 2019 – fortsetzen. Und das bei einer Etat-Verdoppelung durch die Länder. Darüber hinaus sei es dringend erforderlich, bessere steuerliche Anreize für mehr bezahlbaren Wohnungsbau zu schaffen: Eine von 2 auf 3 Prozent erhöhte AfA sei schon deshalb notwendig, um der – durch immer mehr Anlagentechnik – verkürzten Nutzungsdauer von Wohngebäuden gerecht zu werden.

Zudem soll es für Regionen mit angespannten Wohnungsmärkten wahlweise eine befristete Sonderabschreibung oder Investitionszulagen für den Neubau bezahlbarer Mietwohnungen geben. An die Adresse von Bund, Ländern und Kommunen appelliert das Verbändebündnis Wohnungsbau, Bauland verbilligt bereitzustellen und nicht länger – wie häufig praktiziert – im Höchstpreisverfahren anzubieten.
Eine weitere Botschaft richtet sich an Politik und Verwaltung: Der Staat dürfe nicht durch immer neue Gesetze und Normen die Baukosten in die Höhe treiben. Er solle stattdessen den Kosten-Nutzen-Aspekt stärker im Blick haben. Darüber hinaus sei eine deutliche Erhöhung der KfW-Förderung für die altersgerechte und energetische Gebäudesanierung notwendig. In diesem Zusammenhang fordert das Verbändebündnis Wohnungsbau die Bundesregierung auch auf, den Gebäudebereich nicht ungleich stärker als andere Segmente – wie beispielsweise den Verkehr oder die Landwirtschaft – zu belasten, wenn es darum geht, gesteckte Klimaschutzziele zu erreichen.

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